Die nächsten Tage
Veröffentlicht von Uwe Brand in Die Tage danach · 20 März 2020
Die nächsten Tage waren für uns surreal. Es mussten Wege erledigt werden, die man einfach erledigte. Ich dachte immer, ich muss das einfach hinter mich bringen, danach wird alles wieder gut.
In der Stadt erzählte man uns Geschichten, die konnte und wollte ich nicht glauben. Man sagte uns zum Beispiel, dass man doch gewusst habe, dass Kevin sich etwas antuen würde und andere Geschichten, die ich mir nicht vorstellen konnte.
Heute weiß ich, dass viel davon tatsächlich geschehen war und den Tatsachen entsprach.
Täglich fuhren wir zu Kevin nach Hause. Dort wurde uns immer wieder gesagt, dass Kevin seinen Tod schon lange geplant hatte. Heute frage ich mich, wenn man es doch angeblich wusste, warum hat man nicht rechtzeitig gehandelt und es nicht verhindert? Warum hat man uns als Eltern nicht darüber informiert, mit aufzupassen, wenn bekannt war, dass er es vorhatte. Dann wurde uns ständig gesagt, Kevin hätte schon lange Depressionen. Warum hat man nichts dagegen unternommen? Warum hat man Kevin nicht geholfen, wenn man es doch wusste? Erst später wurde uns bewusst, dass uns das alles sehr merkwürdig vorkommt. Würde nicht jeder seinem Partner, Kind, Eltern, Freunden usw. sofort jegliche Hilfe zuteil kommen lassen? Die Versuche, uns Kevins Tod aufgrund von Schulden, Depressionen und andere Dinge zu erklären, waren für uns von Anfang an keine glaubwürdigen und überzeugenden Argumente.
Aber darüber machten wir uns damals keine Gedanken. Wir konnten nicht glauben, dass Kevin niemals wieder bei uns sein würde.
Ansonsten half mir über diese Zeit viel Alkohol. Schlaf brauchte ich so gut wie gar nicht und Hunger hatte man sowieso nicht.
Der Gang zum Arzt war nötig, wegen der Arbeitsunfähigkeit. Als wir dort ankamen, kümmerte man sich sofort umfassend um uns. Wir brauchten schon bei der Anmeldung nichts zu sagen, man wusste Bescheid. Seitdem werden wir sehr gut betreut. Auch dafür möchten wir uns ganz sehr bedanken.
